Die Vereinsarbeit im Frühjahr 2020 ist anders!
Dieser Aussage werden wohl fast alle Vereine zustimmen. Und trotzdem gibt es sicherlich auch hiergroße Unterschiede. So konnte der Naturschutzbund (NABU) Petersberg am 9.März 2020 noch seine Jahreshauptversammlung abhalten und ahnte damals noch nicht, wie günstig dieser Termin gewählt war, denn kurze Zeit später war eine Veranstaltung dieser Art nicht mehr erlaubt. Auch die drei Arbeitseinsätze in verschiedenen Biotopen wurden bis Ende Februar noch erfolgreich durchgeführt. Dabei wurden durch Obstbaumpflege, Rückschnitt von Hecken oder Freistellung sonnenexponierter Standorte (Bild 1) ganz unterschiedliche Eingriffe vorgenommen. Diese dienten aber immer einer Förderung von Biotopen mit ihren Lebensgemeinschaften aus Tieren und Pflanzen. Dieses gemeinsame Arbeiten in der Natur ist ein tragendes Element unserer Vereinsarbeit.
Genau genommen war in den Wintermonaten ein kleiner Teil der NABU-Aktiven eher passiv: die Ziegenherde, die der Verein im Frühling 2019 angeschafft hat, war in dieser Zeit in Pension bei unserem Schäfer C. Schell in Stöckels. Die Herde aus 9 Tieren vergrößerte sich Ende Februar innerhalb von 2 Wochen auf die stattliche Zahl von 19, denn die 5 Altziegen haben jeweils Zwillinge zur Welt gebracht. Diese Herde aus Erwachsenen, Jugendlichen und 10 Lämmern ging am 4. April aus dem Winterquartier auf die grüne Weide, - das trockene Heu wurde ersetzt durch das frische Gras. Zu einem Zeitpunkt , wo durch die Pandemie das menschliche Tun drastisch eingeschränkt wurde, begannen die NABU-Ziegen aktiv zu werden. Das passte!Die „Storchenwiese“, eine Ausgleichsfläche der Gemeinde Petersberg von fast 2 ha Größe in der Gemarkung Steinhaus, wurde für die Ziegenbeweidung in diesem Jahr in 2 Teile unterteilt. Nur ein Teil wurde für ca. 3 Wochen beweidet, der zweite Teil blieb unbeweidet. Durch diese unterschiedliche Nutzung können sich in einem Lebensraum verschiedene Entwicklungen ergeben, mit der Folge, dass auch unterschiedliche Bewohner sich einstellen. Dies betrifft in diesem Biotop speziell „Rohrsänger“, also Vögel, die gerne in der Nähe von Feuchtgebieten vorkommen. In der Zeit, in der die Rohrsänger dieses Gebiet für ihre Brut nutzen, wird dieses Biotop nicht mehr durch Beweidung gestört werden.
Dies wird sicherlich auch das Storchenpaar freuen, das Mitte März den noch nicht besetzten Horst anflog und die umliegenden Wiesen auf „Nahrungsangebote“ testete. Diese Prüfung fiel wohl positiv aus, denn es dauerte nicht lange, bis man die großen Vögel Nistmaterial heranholen sah. Und nun, in der ersten Maiwoche, „sitzt“ ein Storch, für Vogelkenner ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Paar mit der Brut begonnen hat. Wir hoffen sehr, dass in diesem Jahr diese Brut erfolgreich wird, denn in 2019 verunglückte ein Storch, so dass die Brut aufgegeben wurde.
Am 24. April wurde die Ziegenherde umgesetzt auf die Ausgleichsfläche unterhalb der Rhönklubhauses am Rauschenberg. Hier finden die Tiere nicht nur ein Angebot an saftigen Kräutern und Gräsern, sondern besonders auch frisch ausgetriebene Spitzen von Weißdorn und Rosen. Es verwundert immer wieder, mit welchem Geschick die Tiere in diesen dornigen Pflanzen sich die leckeren Blätter und Triebe holen. Hier liegt auch der große Vorteil der Ziegenbeweidung gegenüber einer Schafbeweidung: Die meisten Schafrassen würden das dornige Angebot an Pflanzen verschmähen, nicht so die Ziegen! Mittlerweile sind die 10 Lämmer auch schon so weit entwickelt, dass sie nicht nur die Muttermilch als Nahrung annehmen, sondern auch das pflanzliche Futter, das in ihrer Reichweite ist. Die Entwicklung des typischen Verhaltens von Wiederkäuern - eine Zeitlang fressen und dann gemeinsam ruhen und das Gefressene erneut zwischen den Zähnen zerkleinern – ist bei allen Tieren dieser Herde nun schon schön zu beobachten. Da der Ziegenwagenin der Nähe des Zaunes steht, lässt sich dieses faszinierende Verhalten auch vom Rande der Fläche gut beobachten. Viele Spaziergänger am Rauschenberg erfreuen sich in diesen Tagen an dem bereichernden Anblick der schönen Herde, wobei die Ausgelassenheit der Lämmer ein Sinnbild purer Lebensfreude ist. (Bild 2)
Durch den Regen in den letzten Tagen ist die Wasserknappheit der letzten Wochen beendet worden, so dass wir hoffen, dass das Futterangebot auf der ca. 5500 m² großen Fläche noch etwa 2-3 Wochen ausreichend vorhanden ist. Dann wird hoffentlich der Aufwuchs an Sträuchern durch die Ziegen effektiv abgeweidet worden sein, so dass das Ziel der Biotop-Entwicklung, das Zurückdrängen der Verbuschung – wieder ein Stück näher gerückt wäre. Nach dem Abzug der Ziegenherde können sich die Pflanzen frei entwickeln und es werden sich die wertvollen Stauden, wie z.B. die Flockenblume, entfalten. Ihre Blüten sind die Nektarquellen für die wärmeliebenden Insekten am Südhang des Rauschenbergs, die auf dieser Fläche besonders gefördert werden sollen. Wir sollten aber gedanklich nicht bei den Insekten stehen bleiben, denn sie sind nur Teil vernetzter Nahrungsbeziehungen mit einer Vielzahl von Tieren.Deshalb sorgen die NABU-Aktiven durch das Anlegen von Totholzhaufen auch gezielt für andere Strukturen. Auf diese Weise wird inhaltlich deutlich, was der NABU unter Förderung der Artenvielfalt versteht.
Die Nutzung dieser Fläche am Rauschenberg für eine Tierbeweidung ist nur möglich, weil die Gemeinde Petersberg unter großem finanziellen Aufwand diese Fläche durch einen massiven Bretterzaun gesichert hat. Es leuchtet ein, dass eine Tierherde einerseits und reger Naherholungsverkehr andererseits durchaus Probleme mit sich bringen kann. Der NABU Petersberg möchte sich an dieser Stelle bei allen Personen bedanken, die sich im vergangenen Jahr darum bemüht haben, Ziegen, die in Not geraten sind, zu helfen. Die Neugier dieser Tiere führt leider immer wieder zu Situationen, die man so nicht hat kommen sehen. So haben sich, besonders junge Ziegen, immer wieder in Schwierigkeiten gebracht, wenn sie sich mit ihrem Kopf durch die Bretterzwischenräume gereckt haben und es dann nicht schafften, den Kopf wieder zurück zu ziehen. Das Jammern der Tiere wurde durch die helfenden Hände beherzter Menschen in der Regel schnell beendet. Dafür noch einmal ein herzliches Dankeschön!Um solchen Situationen in Zukunft nach Möglichkeit vorzubeugen, haben Mitglieder in den vergangenen Monaten Gefahrenstellen für die Ziegen „entschärft“. So wurde z.B. der Zaun durch das Anbringen einer zusätzlichen Lattung in seinem Gefahrenpotential verringert. Auch wenn das gemeinsame Tun der Menschen, wie es in Bild 3 vom Monat Februar zum Ausdruck kommt, zur Zeit nicht möglich ist, ist unsere Vereinsarbeit durchaus rege.
So wechseln sich Mitglieder in der Kontrolle der Ziegenherde täglich ab und sorgen so dafür, dass Wasser etc. für die Tiere immer ausreichend vorhanden ist. Insofern ist die Corona Pandemie zwar eine einschränkende Rahmenbedingung, aber die Ziegen einerseits und die versorgenden Menschen andererseits engagieren sich tagtäglich für eine bessere Entwicklung der Natur. Das macht uns Freude und darauf sind wir auch zu Recht ein wenig stolz!
Für den NABU Petersberg
Dr. Alfred Peschl
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Herbert (Dienstag, 12 Mai 2020 18:35)
Wieder ein sehr schöner Bericht!
Danke
Bettina (Dienstag, 12 Mai 2020 18:43)
Interessante und vielfältige Informationen für Naturfreunde, wunderbar zu lesen. Danke!